»Programmieren ist wie küssen: Man kann darüber reden, man kann es beschreiben, aber man weiß erst dann, was es bedeutet, wenn man es getan hat.« (Andree Beaulieu-Green)
15 Programmierung und Design
Im vorliegenden Kapitel möchte ich Ihnen einen Überblick geben, wie man die wichtigsten Programmiersprachen und Entwicklerwerkzeuge installiert. Anhand eines durchgängigen Beispiels wird die Funktion der Werkzeuge demonstriert. Im letzten Abschnitt kommen auch Webentwickler und Layouter nicht zu kurz: Hier werden Werkzeuge zur Erstellung von Internetcontent und druckreifem Material vorgestellt.
15.1 Programmiersprachen
15.1.1 Interpretersprachen
Bei der Verwendung von Interpretersprachen wird der Programmcode zur Laufzeit in maschinennahe Befehle übersetzt. Dieses Vorgehen eignet sich dann, wenn »mal eben schnell« ein kleines Programm erstellt werden soll, das nicht unbedingt auf komplexe Systemfunktionen zugreifen soll.
Shellskripte
Wir beginnen unseren Ausflug in die Welt der Programmierung mit Shellskripten. Diese dienen nicht nur der weitgehenden Automatisierung von Standardaufgaben, vielmehr sorgt auch das Abarbeiten von Skripten beim Starten des Systems für die automatische Konfiguration von Diensten. Derartige Skripte finden Sie z. B. im Verzeichnis /etc/init.d/.
Als Beispiel wollen wir selbst eine kleines Shellskript schreiben, das die so genannte Fakultät einer natürlichen Zahl berechnet. Dabei wird die Zahl so lange mit einer jeweils um 1 reduzierten Zahl multipliziert, bis man 1 erreicht hat. Kompliziert? Hier ein Zahlenbeispiel:
5! = 5 x 4 x 3 x 2 x 1 = 120
Das Shellskript, das erst eine Zahl einliest, dann deren Fakultät berechnet und diese schließlich ausgibt, hat folgende Gestalt:
#!/bin/bash declare -i zahl=$1 declare -i fakultaet=1 while [ $zahl -gt 1 ]; do fakultaet=$fakultaet*$zahl zahl=$zahl-1 done echo "Fakultät = " $fakultaet
- In der ersten Zeile wird zunächst der typische Header von Bash-Shellskripten definiert (#!/bin/bash).
- In Zeile 2 und 3 werden die Variablen für das Programm definiert. Die Variable zahl wird direkt als Konsolenparameter eingelesen, daher zahl=$1.
- Die eigentliche Berechnung erfolgt in den Zeilen 5 bis 8 innerhalb einer while-Schleife. Dabei wird der Inhalt der Variablen zahl pro Schleifendurchlauf immer um eine Einheit reduziert, bis man schließlich bei der Zahl 1 angelangt ist.
- Nach Beendigung der Schleife wird der Inhalt der Variablen fakultaet schließlich auf der Konsole ausgegeben.
Das Skript selbst wird als fakultaet.sh abgespeichert und wie folgt ausgeführt:
user$ sh fakultaet.sh 5 Fakultät = 120
Alternativ hätte man das Skript auch nur fakultaet nennen und mittels chmod+x fakultaet ausführbar machen können, dies erspart den expliziten Aufruf des bash-Interpreters via sh.
Shellskripte sind insbesondere dann recht nützlich, wenn man komplizierte Programmaufrufe nicht mehrfach eingeben möchte, z. B. beim Mastern von bootfähigen CDs oder Transcodieren von Videomaterial.
Perl
Die nächste häufig auftretende, interpretierbare Programmiersprache unter Linux ist Perl. Diese Sprache wurde von Larry Wall mit dem Ziel entwickelt, sich möglichst nahe an menschlichen Sprachgewohnheiten zu orientieren. Perl erfordert für Einsteiger geringe programmiertechnische Vorbildung und zeichnet sich durch eine starke Kombinierbarkeit der Sprachelemente und einen reichen Wortschatz aus. Für eingefleischte Programmierer stellt Perl eine Art Schweizer Messer unter UNIX/Linux dar.
Möchten Sie Perl unter Ubuntu verwenden, so sollten folgende Pakete installiert sein:
- perl
- perl-base
Das obige Fakultätsprogramm hätte unter Perl folgende Gestalt:
#!/usr/bin/perl sub fac { $_[0]>1?$_[0]*fac($_[0]-1):1; { print fac(5);
Das Programm wird von einer Kommandozeile aus über
user$ perl fakultaet.pl
gestartet, wenn es unter dem Namen fakultaet.pl abgespeichert wurde. Komplizierter Code? Nun, auf den ersten Blick sicher. Der Algorithmus reduziert sich hier in genialer Weise auf eine einzige Zeile, in der die Fakultätsfunktion rekursiv berechnet wird. Die Möglichkeiten von Perl veranlassen viele der so genannten Geeks zu Wettbewerben wie Obfuscation (das Verschlüsseln von Programmen bis zur Unkenntlichkeit des Sinns) und Golf (ein Programm für einen bestimmten Zweck in möglichst wenig Codezeilen erstellen).
Python
Python ist eine objektorientierte Programmiersprache, die sich durch einen klaren Aufbau auszeichnet. Unter Ubuntu wird Python über das Paket
- python
installiert. Besonders interessant ist die Ausnahmebehandlung unter Python, die eine Syntaxüberprüfung von Programmstrukturen während der Laufzeit gestattet. Betrachten wir als Beispiel einmal folgenden Codeabschnitt:
#!/usr/bin/env python while True: try: num = raw_input("Eine Zahl eingeben: ") num = int(num) break except ValueError: print "Eine _Zahl_, bitte!"
Dieser Code wird den Benutzer so lange nach einer Nummer fragen, bis dieser einen String eingibt, der sich per int() in eine Ganzzahl konvertieren lässt, ohne dass ein Fehler auftritt.
Erwähnenswert ist, dass sowohl das BitTorrent-Filesharing-Protokoll als auch das MoinMoin-Wiki-System in Python implementiert wurden.
15.1.2 Compilersprachen
Darunter fällt der Großteil der Programmiersprachen, die zur Umsetzung groß angelegter Softwareprojekte eingesetzt werden. Abbildung 15.1 zeigt das prinzipielle Vorgehen zur Erstellung eines Programms mit Hilfe eines Compilers.
Abbildung 15.1 Schritte zur Übersetzung eines Programms
Der Programmierer muss sich meist »nur« um das Erstellen von einem korrekten Code kümmern, das Kompilieren und Linken der Programme erledigt ein einfacher Kommandozeilenbefehl.
C/C++
Das gesamte Betriebssystem Linux wurde in der Programmiersprache C erstellt. Möchte man selbst Programme aus Quellen übersetzen, so ist mindestens der C-Compiler erforderlich. Unter Ubuntu installieren Sie sämtliche zum Erstellen von C-Programmen benötigten Pakete über das Metapaket
- build-essential
Dadurch werden sowohl der C- als auch der C++-Compiler sowie die make-Utilities installiert. Sie können die Funktionsweise des Compilers erneut mit Hilfe unseres Standardprogramms testen. Erstellen Sie eine Datei fakultaet.cpp mit folgendem Inhalt:
#include <iostream> using namespace std; int fak(int n); int main(void) { int n; cout << "Fakultät: " << fak(5) << endl; { int fak(int n) { if (n==0) return 1; else return n*fak(n-1); }
Im vorliegenden Fall wurde die Fakultätsberechnung als eigenständige, rekursive Funktion fak implementiert. Nach der Eingabe wird das Programm zunächst über
user$ g++ -o fakultaet fakultaet.cpp
kompiliert und anschließend mittels
user$ ./fakultaet
gestartet.
Mit Hilfe des C-Compilers können Sie aber nicht nur kleine Programmierprojekte selbst realisieren; vielmehr sind Sie in der Lage, durch Kompilieren von Quellen Linux-Anwenderprogramme ganz Ihren Anforderungen bzw. Ihrer Hardware anzupassen.
Java
Ubuntu bietet Ihnen in der Multiverse-Sektion die original Java-Umgebung von Sun. Möchten Sie damit Java-Projekte realisieren, so benötigen Sie in jedem Fall die Pakete sun-java5-jdk und sun-java5-source.
Um die Graphikfähigkeiten von Java zu demonstrieren, erstellen wir ein Programm, das eine Treppe aus Rechtecken erstellt, deren Höhe quadratisch zunimmt. Erstellen Sie eine Datei treppe.java mit folgendem Inhalt:
import java.applet.*; import java.awt.*; public class treppe extends Applet{ int x=1; int y; public void paint (Graphics pen) { while (y<100) { y=x*x; pen.fillRect(x*10, 100-y, 10, y); x++; { { }
Das Programm wird mit dem folgenden Befehl übersetzt:
user$ javac treppe.java
Dadurch wird eine Java-Klassendatei treppe.class generiert, die allerdings nicht eigenständig lauffähig ist. Binden Sie die Klasse folgendermaßen in eine HTML-Datei namens treppe.html ein:
<HTML> <BODY> <APPLET code="treppe.class" width=200 height=200> </Applet> </BODY> </HTML>
Nun können Sie das Applet im Appletviewer, der zum Sun-Java-Paket gehört, folgendermaßen testen (Abbildung 15.2):
user$ appletviever treppe.html
Abbildung 15.2 Der Appletviewer
Wenn das klappt, dann lässt sich das Applet auch in jedem beliebigen Browser darstellen. Selbstverständlich haben Sie auch die Möglichkeit, browserunabhängige Java-Applikationen zu erstellen. Das folgende Beispiel wurde dem beliebten Java-Buch »Java ist auch eine Insel« von Christian Ullenboom, das als Openbook unter http://www.galileocomputing.de für jedermann frei verfügbar ist, entnommen:
import java.math.*; class Fakultaet { static BigInteger fakultät( int n ) { BigInteger big = BigInteger.ONE; if ( n == 0 || n == 1 ) return big; if ( n > 1 ) for ( int i = 1; i <= n; i++ ) big = big.multiply( BigInteger.valueOf(i) ); return big; { static public void main( String args[] ) { System.out.println( fakultät(100) ); { }
Kompiliert wird die Applikation wieder mittels javac, anschließend können Sie das Programm über
user$ java Fakultaet
starten. Im vorliegenden Fall wird die Java-Mathematikbibliothek dazu verwendet, die Fakultäten möglichst großer Zahlen n in ganzzahliger Darstellung zu berechnen.
Mono
Als Open-Source-Alternative zu Microsofts .NET Framework ist Mono in aller Munde. Skeptiker bescheinigen dem Projekt keine große Zukunft, falls sich Softwarepatente auf breiter Basis durchsetzen.
Unter Ubuntu sind einige (wenn auch veraltete) Monopakete integriert. Eine brauchbare Entwicklungsumgebung lässt sich durch die Installation folgender Pakete installieren:
- mono
- mono-devel
- gtk-sharp
Das letzte Paket stellt Bibliotheken zur Erstellung von GTK-Programmen in Verbindung mit dem C#-Compiler des Monopakets zur Verfügung.