2 Ubuntu Linux
Ein Linux-System, das ohne Klimmzüge einfach funktioniert – durch sein bestechendes Konzept hat Ubuntu den Linux-Olymp in Rekordzeit bestiegen. Das hat es bis dato nicht gegeben: Eine Distribution, die Einsteiger und Profis gleichermaßen überzeugt.
2.1 Ubuntu – Die Anfänge
Ankündigung
Sicherlich gab es kaum jemanden in der Linux-Szene, der große Erwartungen in die Ankündigung einer bis dato nicht in Erscheinung getretenen Firma namens Canonical setzte, die am 15. September 2004 im Internet einschlug:
From:"Benj. Mako Hill" <mako-AT-canonical.com> To: ubuntu-announce-AT-lists.ubuntulinux.org Subject: Announcing Ubuntu 4.10 Preview Date: Wed, 15 Sep 2004 13:50:02 –0400 Most of you receiving this mail registered for the low-traffic announcement list at no-name- yet.com. This is our first announcement! Before we get to the good stuff I'm pleased to announce that we are nameless no more … the name of our distribution is "Ubuntu" (read below for details) and the company supporting the project is Canonical Ltd. Announcing Ubuntu 4.10 Preview Ubuntu is a new Linux distribution that brings together the breadth of Debian with a focused selection of packages, regular releases (every six months) and a commitment to security updates with 18 months of security and technical support for every release.
Tatsächlich hat es Ubuntu innerhalb eines Zeitraums von nur wenigen Monaten geschafft, den ersten Platz auf der Beliebtheitsskala der bekannten Internetseite distrowatch.com zu erstürmen. Was sind die Gründe dieses steilen Aufstiegs? Wem haben wir Ubuntu zu verdanken, und wie ist diese ganze Lawine ins Rollen geraten? Warum Ubuntu? Was ist das für ein merkwürdiges Wort und was hat das auf meinem Computer zu suchen? All diese Fragen möchte ich im nächsten Abschnitt zu klären versuchen.
2.1.1 Ursprung
Die erste Version von Ubuntu, »Warty Warthog«, erblickte, wie in der bereits zitierten Mail schon zu lesen war, im Oktober 2004 das Licht der Linux-Welt. Sie schlug ein wie eine Bombe, und das im doppelten Sinne. So wurde diese neue Distribution erst einen Monat vor ihrem Erscheinen angekündigt und entwickelte sich dann laut DistroWatch in den ersten Wochen ihres Bestehens zur beliebtesten neuen Linux-Distribution.
Der geistige Vater von Ubuntu ist Mark Shuttleworth (siehe Abbildung 2.1), vielen sicher auch bekannt als der zweite zivile, zahlungskräftige Raumfahrtpassagier, der als erster Mensch des afrikanischen Kontinents im Jahr 2002 den Weltraum besuchte.
Die Beweggründe für sein Verhalten spiegeln sich im Wort Ubuntu wider. Mark Shuttleworth ist Gründer der Softwarefirma Thawte Consulting. Als diese von VeriSign übernommen wurde, wurde Shuttleworth über Nacht zum Millionär. Nun weiß niemand, ob Mark im Weltraum die Erleuchtung zum Projekt Ubuntu gekommen ist. Fest steht, dass der Multimillionär seinerseits der Internetgemeinde etwas zurückgeben wollte, basierte doch sein Vermögen auf den Geschäften, die er in den seligen Zeiten der New Economy getätigt hatte. Darüber hinaus hatte Mark Shuttleworth die Vision, den armen Bevölkerungsschichten in Afrika ein einfaches, schlankes Computerbetriebssystem zukommen zu lassen.
Natürlich ist nicht nur Afrika das Ziel von Shuttleworths Anstrengungen. Da er aber gebürtiger Südafrikaner ist, liegt ihm sein Heimatkontinent besonders am Herzen. Mittlerweile lebt er in London, da auch seine Firma Canonical in England ihren Firmensitz hat.
Trotz allem handelt es sich bei Ubuntu nicht nur um ein rein wohltätiges Projekt. Wenn eine Distribution längerfristig am Markt bestehen will, dann braucht man eine kontinuierlich arbeitende Entwicklergemeinde und eine funktionierende Infrastruktur. Dies bedeutet unter anderem, dass die Server unterhalten werden müssen, aber auch das kostenlose Verschicken der Ubuntu-CDs muss auf Dauer gesichert sein. Dies alles kostet Geld und da ist es nur zu verständlich, dass mit Ubuntu auch Geld verdient werden soll.
Abbildung 2.1 Mark Shuttleworth auf dem Linux-Tag 2006. Er trug ein Shirt mit dem Logo von KDE als Aufdruck, um seine Verbundenheit mit dem KDE zu demonstrieren. Im Vorwege dieser Veranstaltung gab es Vermutungen, dass Ubuntu zu sehr auf GNOME fixiert ist. Mark begegnete diesem Vorurteil mit einem Lachen.
Sie kennen Mark Shuttleworth nicht? |
Doch, bestimmt! Mark Shuttleworth war derjenige, der sich vor einigen Jahren seinen Kindheitstraum erfüllte und als einer der ersten Zivilisten (genauer gesagt als zweiter) einen Weltraumflug absolvierte. Sie werden bestimmt in den Nachrichten davon gehört haben. In der Ubuntu-Gemeinschaft wird er auch liebevoll »Space Cowboy« genannt. Sein Geld machte er in den goldenen Zeiten des Internets und der »New Economy« in den 90er Jahren. Eine Biographie von Mark Shuttleworth finden Sie in Anhang. |
Der verlängerte wirtschaftliche Arm, der hinter Ubuntu steht, ist die Firma Canonical, die Mark Shuttleworth gehört. Geld soll vor allem mit dem Support verdient werden, also mit dem Anbieten von kostenpflichtiger Unterstützung für Ubuntu. Privatanwender werden davon wahrscheinlich eher wenig Gebrauch machen, aber für Firmen ist dies ein gewichtiges Entscheidungskriterium. Man beachte: Ubuntu als System wird der Idee von Shuttleworth zufolge stets kostenlos sein.
Die folgende Tabelle stellt kurz die bisherigen Ubuntu-Releases sowie die in naher Zukunft erscheinenden zusammen. Der Name eines Release ist dabei stets durch einen mehr oder weniger skurrilen Tiernamen gegeben.
ffizielle Bezeichnung | Datum | Entwicklungs- Name | Übersetzung |
Ubuntu 4.10 | Oktober 2004 | The Warty Warthog | Das warzige Warzenschwein |
Ubuntu 5.04 | April 2005 | The Hoary Hedgehog | Der altersgraue Igel |
Ubuntu 5.10 | Oktober 2005 | The Breezy Badger | Der flotte Dachs |
Ubuntu 6.06 | Juni 2006 | The Dapper Drake | Der elegante Erpel |
Ubuntu 6.10 | November 2006 | The Edgy Eft | Der nervöse Molch |
Ubuntu 7.04 | April 2007 | The Feisty Fawn | Das mutige Reh |
Sie möchten wissen, wie z. B. die erste Version »Warty Warthog« aussah? In Abschnitt 3.3 können Sie sich die bisherigen Ubuntuversionen detailliert ansehen. Dort finden Sie einen ausführlichen Ausflug in die Geschichte dieser Distribution.
Haben Sie noch Fragen zu den Veröffentlichungszyklen oder den Zeiträumen, in denen Support und Aktualisierungen für Ihr System angeboten werden? Dann sehen Sie bitte in Kapitel 3 nach.
2.1.2 Die Schwerpunkte von Ubuntu
- Benutzerfreundlich
-
- 1. Zum einen hält mit Ubuntu 6.06 LTS ein graphischer Installer Einzug bei Ubuntu. Sie können nun bequem von der Desktop-CD oder -DVD Ubuntu installieren, während Sie im Internet surfen oder andere Tätigkeiten online erledigen.
Während dies bei Ubuntu 6.06 noch mit Fehlern behaftet war, ist diese Art der Installation bei Ubuntu 6.10 wesentlich ausgereifter und zuverlässiger geworden. | |
-
- 2. Die zweite Variante ist die klassische, textbasierte Installation. Obwohl die bewährte Installationsroutine des Debian-Systems mittlerweile überarbeitet wurde, ist ihm Ubuntu in puncto Benutzerfreundlichkeit dennoch etwas voraus. Bestehende Betriebssysteme, die neben Ubuntu die Festplatte bevölkern, werden nicht angetastet; der Ubuntu-Installer ist sogar in der Lage, Windows-Partitionen aller Couleur zu verkleinern und somit Platz für die Linux-Installation zu schaffen.
- Stabil
-
- Ubuntu basiert auf der vielfach bewährten Debian GNU/LinuxDistribution, die mittlerweile mehr als zehntausend Softwarepakete anbietet. In der Standardinstallation werden nur ausgereifte Programme für die gängigen Anwendungen (E-Mail, Browser, Office) installiert.
- Einfach und überschaubar
-
- Im Gegensatz zum Debian-System kommt Ubuntu mit einer überschaubaren Auswahl von Softwarepaketen aus: Für die Installation genügt eine einzige CD. Ubuntu ist so konzipiert, dass für jede Anwendungsaufgabe lediglich ein bewährtes Programm zum Einsatz kommt. Dadurch werden insbesondere Einsteiger nicht überfordert.
- Aktuell
-
- Ubuntu lässt sich spielend leicht auf dem aktuellen Stand halten. Dafür sorgen der Ubuntu-Updatemanager sowie das Debian-Paketsystem. Ein simples apt-get upgrade aktualisiert alle Pakete, mit apt-get dist-upgrade kann man sogar die komplette Distribution erneuern.
-
- Natürlich kann dies auch graphisch z. B. über das Programm Synaptic geschehen. Sie erfahren mehr dazu im Abschnitt 14.5.3. Wenn Sie KDE bzw. Kubuntu verwenden, finden Sie in Abschnitt 14.5.7 eine Beschreibung von Adept, dem KDE-Pendant von Synaptic.
- International
-
- Ein anderes Ziel des Projekts ist die Verbesserung der Internationalisierung, damit die Software so vielen Menschen wie möglich zur Verfügung steht. Auch aus diesem Grund wird z. B. GNOME verwendet, da für diese Arbeitsumgebung besonders viele Übersetzungen existieren.
- Dokumentiert
-
- Ubuntu soll das am besten dokumentierte GNU/Linux werden. Hierzu sind viele Dokumente direkt ins System integriert. Sie finden diese Hilfe über das Menü System · Hilfe bzw. K-Menü · Hilfe.
2.1.3 Die Philosophie hinter Ubuntu
Ubuntu ist nicht nur eine Ansammlung von Software – hinter der Idee steckt eine tiefgründige Philosophie: Ubuntu ist ein altes afrikanisches Wort, es stammt aus der südafrikanischen Sprachfamilie »Nguni«, eine exakte Übersetzung existiert leider in keiner europäischen Sprache. Der Begriff beschreibt Menschlichkeit und gegenseitige Großzügigkeit ebenso wie die Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel.
Abbildung 2.2 Das Logo von Ubuntu wird durch mehrere Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen nachgebildet. Dieser »circle of friends« symbolisiert den wesentlichen Charakterzug von Ubuntu – Linux for human beings.
Es ist »der Glaube an etwas Universelles, das die gesamte Menschheit verbindet«. Dieses Konzept ist die Grundlage für die Zusammenarbeit in der Ubuntu-Gemeinschaft.
Mehr über die Grundlagen der Zusammenarbeit können Sie in Abschnitt 2.6.3 nachlesen.
Der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu beschreibt Ubuntu so:
»Eine Person mit Ubuntu ist offen und greifbar für andere, bejaht andere in Ihrer Andersartigkeit, fühlt sich nicht von der Stärke anderer bedroht, verfügt über ein angemessenes Selbstbewusstsein, das sich aus dem Wissen um die eigene Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen speist, und fühlt sich selbst herabgesetzt, wenn andere erniedrigt oder herabgesetzt, wenn andere gefoltert oder unterdrückt werden.«
Das Wort Ubuntu müssen Sie hierbei aber streng von Ubuntu Linux unterscheiden. Auch wenn das Ubuntu Linux die Bedeutung des Wortes Ubuntu zum Ausdruck hat, wird mit obiger Definition das Wort Ubuntu an sich definiert.
Die Schöpfer haben für die Linux-Distribution den Namen Ubuntu gewählt, weil sie glauben, dass er die Grundgedanken des Miteinander- Teilens und der Kooperation perfekt trifft, die für die Open-Source-Bewegung so wichtig sind. In der Welt der freien Software arbeitet man freiwillig zusammen, um Software zu schaffen, die allen nützt. Man verbessert die Werke anderer, die frei erhältlich sind, und man teilt die eigenen Erweiterungen auf der gleichen Basis mit anderen.
2.1.4 Ubuntu und Debian
Viele Ubuntu-Entwickler kommen aus den Debian- und GNOME-Communitys. GNOME wird als Standard-Desktop installiert. Neue Versionen von Ubuntu werden synchron mit den neuen Versionen des GNOME-Projekts veröffentlicht, das ebenfalls alle sechs Monate eine neue Version herausbringt. Des Weiteren wird dem KDE-Projekt eine hohe Bedeutung eingeräumt und ein Ubuntu mit KDE als Standard-Desktop veröffentlicht. Dieses Ubuntu erschien erstmals im April 2005 unter dem Namen Kubuntu.
In Kapitel 8 erfahren Sie mehr über Kubuntu.
Debian gilt zu Recht als stabil und zuverlässig. Die Debian-Entwickler sind allerdings sehr restriktiv bezüglich Neuerungen und Veränderungen am System. Dadurch ist Debian wohl eine der stabilsten Linuxe-Distributionen geworden. Allerdings hat dies seinen Preis. Das System ist schon lange nicht mehr up-to-date, was z. B. die Usability (Benutzerfreundlichkeit) angeht. Mag dies hartgesottene Linux-Fans auch nicht stören, so ist es gerade für Neueinsteiger eine große Hürde.
Ubuntu geht hier einen Mittelweg. Es basiert auf der sicheren Architektur von Debian und verbindet es mit neueren Softwarepaketen.
Abbildung 2.3 Die Homepage des Debian-Projektes im Oktober 2006.
Was genau ist überhaupt Debian? |
Debian ist eine der ältesten und beliebtesten Distributionen. Während die meisten großen Distributionen von kommerziellen Firmen ins Leben gerufen wurden (SUSE, RedHat), ist Debian eine community-basierte Distribution. Für dieses Projekt haben sich eine Menge engagierte Linux-Anwender zusammengesetzt und ein Linux kreiert, das Wert auf größtmögliche Stabilität legt. Das Debian-Projekt wurde offiziell am 16. August 1993 von Ian Murdock gegründet. |
Die Entwicklung dieser neuen Distribution begann als offenes Projekt, ganz im Sinne des GNU- oder auch des Linux-Kernel-Projekts. Dieses Kriterium erfüllte damals keine andere Distribution. Debian war darin somit ein Vorreiter unter den Distributionen. Der Name »Debian« stammt vom Schöpfer der Distribution, der ihn aus dem Namen seiner Frau Debra und seinem Vornamen bildete (Deb-Ian). Die offizielle Aussprache für den Namen ist: »deb'ee'n«. |
Debian war und ist ein Vorreiter in der Entwicklung von zukunftsweisenden Anwendungen. In diesem Zusammenhang sei nur auf das professionelle Paketmanagement apt-get hingewiesen, auf das ich in Abschnitt 14.5.1 eingehen werde.
Es wird das gleiche Paket-Format (.deb) verwendet wie in Debian, und auch sonst stehen sich beide Projekte sehr nahe. Alle Änderungen und eventuelle Verbesserungen an Debian-Paketen, die in Ubuntu vorgenommen werden, werden sofort an das Debian-Projekt weitergegeben. Zahlreiche Entwickler von Ubuntu sind ebenfalls im Debian-Projekt aktiv und betreuen dort wichtige Pakete.
Es gibt zahlreiche Fragen und Missverständnisse bezüglich der Verbindung zwischen Debian und Ubuntu. Viele dieser Fragen hat Mark Shuttleworth persönlich beantwortet. Sie finden seine Antworten in einem Interview, das Sie in einer deutschen Übersetzung im Anhang nachlesen können.