2.6 Ubuntu inside
Vielleicht werden Sie sich fragen, warum ich in einem eigenen Teilabschnitt die Menschen, die am Gesamtkunstwerk Ubuntu beteiligt sind, gesondert hervorhebe. Der Grund ist einfach: In all den Jahren, in denen ich mich mit Linux beschäftigt habe, ist mir noch nie eine derart freundliche, hilfsbereite Gemeinschaft über den Weg gelaufen.
Manchmal betonen einige Linux-Benutzer einen vermeintlich elitären Status »ihres« Betriebssystems und behaupten dann im gleichen Atemzug, dass Linux halt nicht für jeden sei oder dass es sich seine »Freunde« besonders gut aussucht. Dies ist natürlich nicht richtig – Linux ist nicht elitär. Es ist nichts anderes als ein Betriebssystem, das offen für jeden ist, dementsprechend aber auch diffiziler, denn es verlangt vom Nutzer einen höheren Teil an selbstständigem Handeln als andere Betriebssysteme.
Linux ist für Einsteiger zu Beginn wahrscheinlich schwerer zu durchdringen, besonders wenn man jahrelang den Umgang mit Windows gewohnt war. Aber dies gibt erfahreneren Benutzern oder Entwicklern nicht die Rechtfertigung, den Anfängern den Einstieg nochmals zu erschweren bzw. unflätig zu reagieren. Solch ein Verhalten zeugt nur von mangelndem Respekt; leider ist die Hürde für einen solchen Umgang im vermeintlich anonymen Internet wesentlich niedriger als im realen Leben.
Der Slogan »Linux für Menschen« soll nicht nur Marketingstrategie sein, Ubuntu möchte diesen Satz auch aktiv umsetzen. Ubuntu soll bewusst anders als andere Distributionen sein – freundlich, hilfsbereit, offen. Und genau so will auch die Community rund um die Distribution handeln.
2.6.1 Die Ubuntu Community
Gerade Linux-Einsteiger kennen die Situation, dass sie nach einer bescheidenen Anfrage in den gängigen Linux-Newsgroups von den »Alteingesessenen« vom hohen Ross herab betrachtet und abgekanzelt werden. In der Ubuntu-Gemeinschaft ist das anders: Hier gibt es ein freundliches Miteinander, und selbst wenn ein »Newbie« ein Thema zu x-ten Mal aufrollt, ohne vorherigen Gebrauch von den einschlägigen Suchmaschinen zu machen, wird ihm deswegen nicht gleich der Kopf abgerissen.
Ein wahres Füllhorn an Informationen findet man in den wie Pilze aus dem Boden schießenden Wikis[Ein Wiki ist eine Ansammlung von HTML-Seiten im Internet, die von jedem registrierten Leser selbst ergänzt und korrigiert werden können – Interaktivität im besten Sinn. Der Name stammt von wikiwiki, dem hawaiischen Wort für »schnell«.] und Foren zu Ubuntu. Ich möchte nicht verhehlen, dass ein Großteil der in diesem Buch recherchierten Informationen dem deutschen Ubuntu-Wiki auf http://www.ubuntuusers.de entstammt. Dem interessierten Neueinsteiger seien daher als Erweiterung zum Buch und für den Fall, dass er auf Probleme trifft, die im Druckwerk nicht beschrieben sind, zunächst einmal folgende Anlaufstellen als erste Auswahl im Web ans Herz gelegt:
- ein sehr gutes deutschsprachiges Ubuntu-Wiki unter der Adresse www.ubuntuusers.de/wiki
- das dazugehörige Forum für Ubuntu, Kubuntu und Xubuntu unter www.ubuntuusers.de/forum
- ein weiteres Forum für beide »Ubuntus«: www.ubuntu-forum.de
- und speziell für Kubuntu: www.kubuntu.de.
Aufgrund der Fülle an unterschiedlicher Hardware gibt es sicherlich Probleme, die im Buch nur angerissen oder überhaupt nicht behandelt werden. Ich hoffe, dass Sie in diesem Fall dann wenigstens den grundlegenden Umgang mit Ihren Problemen hier im Buch behandelt finden oder unter diesen Adressen eine freundliche, einsteigerorientierte Hilfe finden werden, wenn es mal ein wenig im System klemmt.
In Kapitel 23 werden Sie noch weitere Adressen im weltweiten Netz finden und die Möglichkeiten der integrierten Hilfe kennenlernen. In Abschnitt 19.3 erläutere ich Ihnen einige Möglichkeiten, wie Sie an Informationen aus Ihrem System herankommen, damit Sie eventuellen Anfragen in Foren entspannt entgegensehen können.
Ein Wort zu den Foren ... |
Die genannten Foren beruhen auf rein privaten Initiativen. Keines dieser Foren bekommt eine offizielle Unterstützung von der Ubuntu Foundation oder von Canonical. Dies bedeutet, dass die Helfer dort alles nur aus Interesse und ehrenamtlichem Engagement heraus betreiben. |
Dementsprechend haben Sie bitte etwas Geduld und Verständnis, wenn nicht jede Ihrer Fragen gleich beantwortet werden kann oder manchmal die freiwilligen Helfer auch nicht weiterwissen. |
Sie können allerdings auch kommerziellen Support in Anspruch nehmen, den die Firma Canonical kostenpflichtig leistet. Mehr über diesen Service erfahren Sie auf der Homepage von Ubuntu: http://www.ubuntu.com. |
2.6.2 Helfen Sie mit
Wir haben bereits in Abschnitt 2.2.2 das Launchpad kennengelernt. Mit Hilfe dieser Seite können Sie mit einfachsten Mitteln und geringem Aufwand aktiv bei der Entwicklung von Ubuntu helfen. Sie können dort aber nicht nur Fehlermeldungen abgeben, sondern auch den Fortschritt bei der Behebung von bereits gemeldeten Fehlern begutachten.
Sie können auf der gleichen Seite übrigens auch an der Übersetzung von Ubuntu mitwirken. Bei fortlaufendem Interesse an einem solchen Hobby können Sie Mitglied des Übersetzerteams werden. Sie haben somit die einzigartige Chance Ubuntu mitzuentwickeln.
In Abschnitt 23.2 finden Sie eine Übersicht über die wesentlichen Adressen und Hilfequellen im Internet.
2.6.3 Code of Conduct (CoC)
Um zu funktionieren, bedarf die Art der Zusammenarbeit guter Beziehungen zwischen den Entwicklern. Deshalb haben sich die »Ubunteros« (wie sie sich selbst nennen) auf die folgenden Regeln geeinigt. Sie sollen helfen, die Zusammenarbeit und Kooperation zu definieren und letztlich zu vereinfachen. Dieses kleine Regelwerk wird bei Ubuntu als »Code of Conduct« (CoC) bezeichnet (dt. Verhaltensrichtlinien).
Die folgenden Abschnitte entstammen im Wesentlichen dem Wiki der offiziellen Ubuntu-Homepage.
Diese Regeln betreffen dein Verhalten als Mitglied der Ubuntu-Gemeinschaft, und zwar auf allen Foren, Mailinglisten, Wikis, Webseiten, IRC-Kanälen, Linux-Installations-Partys, auf öffentlichen Treffen oder im privaten Dialog. Der Ubuntu-Gemeinderat (das so genannte Community Council) vermittelt bei Auseinandersetzungen um das Verhalten eines Mitglieds der Gemeinschaft.
- Sei achtsam. Dein Werk wird von anderen Leuten verwendet, und du hängst von den Werken anderer ab. Jede Entscheidung, die du fällst, hat Konsequenzen für Anwender und Kollegen: wir erwarten, dass du diese Konsequenzen bei deinen Entscheidungen berücksichtigst. Ein Beispiel: Wenn wir in einem »Feature Freeze« sind, dann stelle nicht die allerneueste Version eines kritischen Systemprogramms auf den Server – andere wollen das System testen und erwarten in diesem Stadium keine größeren Änderungen.
- Sei respektvoll. Die Ubuntu-Gemeinschaft und ihre Mitglieder behandeln einander zuvorkommend. Jeder kann einen wertvollen Beitrag zu Ubuntu leisten. Wir sind nicht immer einer Meinung, aber Meinungsverschiedenheiten entschuldigen nicht schlechtes Benehmen. Wir sind alle ab und zu frustriert, aber wir dürfen nicht zulassen, dass aus dem Frust ein persönlicher Angriff wird. Vergiss nie, dass eine Gemeinschaft, in der manche Menschen sich unwohl oder bedroht fühlen, unproduktiv ist. Wir erwarten von unseren Mitgliedern, dass sie andere Mitwirkende respektvoll behandeln, genauso wie Menschen außerhalb des Ubuntu-Projekts oder unsere Anwender.
- Sei anderen behilflich. Die Grundlage von Ubuntu und freier Software ist das Zusammen- und Miteinanderarbeiten. In der Welt der freien Software hilft Zusammenarbeit, überflüssige Arbeit zu vermeiden, und verbessert die Qualität der entstehenden Programme. Dein Ziel soll sein, mit anderen Ubuntu-Maintainern zusammenzuarbeiten und mit den ursprünglichen Autoren der Programme, wenn sie sich für deine Arbeit interessieren. Deine Ergebnisse sollen transparent sein; unsere Änderungen sollen dann weitergegeben werden, wenn sie entstehen, nicht erst wenn die nächste Version herauskommt. Wenn du an neuem Code für bestehende Projekte arbeitest, dann informiere deren Mitarbeiter wenigstens über deine Ideen und deinen Fortschritt.
- Es ist nicht immer möglich, mit den ursprünglichen Autoren oder auch nur unter den Ubuntu-Kollegen einen Konsens darüber zu erzielen, wie eine Idee korrekt implementiert wird. Du musst also nicht unbedingt auf einen Konsens warten, bevor du beginnst. Aber du sollst die Betroffenen informieren und deine Arbeit so veröffentlichen, dass andere deine Leistung testen und besprechen und zu ihr beitragen können.
- Besprich Meinungsverschiedenheiten mit anderen. Unstimmigkeiten, politisch wie technisch, sind unausweichlich, und die Ubuntu-Gemeinschaft ist keine Ausnahme. Das Wichtigste ist nicht, andere Meinungen oder Ansichten zu vermeiden, sondern sie konstruktiv zu klären. Wende dich an die Gemeinschaft und nutze sie, um dir Rat zu holen und Probleme zu lösen. Unser Technikausschuss oder der Gemeinschaftsrat können helfen, den richtigen Kurs für Ubuntu festzulegen. Es gibt auch einige Projektteams oder Teamchefs, die dir helfen können, zu entscheiden, welcher Weg der tragbarste ist.
- Wenn du wirklich deinen eigenen Weg gehen willst, kannst du eine von Ubuntu abgeleitete Distribution erstellen oder deine Pakete mit dem Ubuntu-Paketmanagement als Alternativen anbieten, damit die Gemeinschaft deine Änderungen testen und zur Diskussion beitragen kann.
- Frage, wenn du dir unsicher bist. Niemand weiß alles, und von niemandem erwarten wir Perfektion (außer natürlich vom SABDFL[SABDFL bedeutet »Self Announced Benevolent Dictator For Life«, zu Deutsch »Selbst ernannter gütiger Diktator auf Lebenszeit«. Als Benevolent Dictator For Life werden in Open-Source-Projekten oftmals die anerkannten Leiter eines Projektes bezeichnet.]). Fragen jetzt zu stellen, vermeidet Probleme später, deshalb sind Fragen ausdrücklich erwünscht. Die Gefragten sollen konstruktiv antworten. Allerdings musst du darauf achten, für deine Fragen das richtige Forum zu wählen. Deplatzierte Beiträge (Beispiel:
- Hilfsanfragen auf einer Mailingliste für Entwickler) lenken von produktiver Diskussion ab.
- Wenn du ausscheidest, gib deine Verantwortung weiter. In jedem Projekt kommen und gehen die Leute, und bei Ubuntu ist das nicht anders. Wenn du das Projekt verlässt oder dich zurückziehst, tu das bitte auf die Art und Weise, die das Projekt am wenigsten durcheinanderbringt. Das bedeutet: Sag den anderen, dass du gehst, und gib deine Aufgaben so weiter, dass andere da weitermachen können, wo du aufgehört hast.
Mailinglisten und Foren sind ein wichtiges Standbein der Gemeinschaft. Diese Regeln betreffen natürlich auch dein Verhalten dort. Bitte beachte zusätzlich:
- Verwende eine gültige E-Mail-Adresse, an die Antworten direkt geschickt werden können.
- Bitte keine Flamewars, »Trolling«, persönliche Angriffe oder wiederholt dieselben Argumente. In technischen Fragen kann der Technikausschuss, bei sozialen Problemen in der Gemeinschaft kann der Gemeinschaftsrat eine endgültige Entscheidung fällen.
Für wen gilt der Code of Conduct? |
Der Code of Conduct gilt im Wesentlichen für alle Ubuntu-Entwickler, nicht für Sie als Benutzer dieses Systems. Sie werden allerdings von der Gemeinschaft aller Nutzer herzlich gebeten, sich diese Absätze auch durchzulesen und sich wenn möglich daran zu halten. |
Ubuntu lebt von den Benutzern und der Umgang untereinander hat wesentlichen Einfluss auf den Erfolg dieser Distribution. Diese Regeln sind mitnichten Vorschriften im eigentlichen Sinn (es gibt keine Regeln für irgendwelche Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Regeln), aber die Regeln sollen als Empfehlungen verstanden werden. |
2.6.4 Die Ubuntu-Grundsätze
Das Wiki der offiziellen Ubuntu-Homepage enthält die wichtigsten Überzeugungen von Ubuntu, die ich hier aufgreifen und Ihnen darstellen möchte. Dazu heißt es im Wiki:
Unsere Arbeit an Ubuntu wird von einem Verständnis der Freiheit von Software getragen, das – so hoffen wir – sich verbreiten und die Vorteile der Softwareverwendung in alle Erdteile tragen wird.
Ubuntu ist ein gemeinschaftlich getragenes Projekt mit dem Ziel, ein Betriebssystem und eine vollständige Auswahl an Anwendungsprogrammen zu schaffen und dazu freie und quelloffene Software zu benutzen. Das Herzstück des Verständnisses der Freiheit von Software bei Ubuntu sind diese zentralen Überzeugungen:
- Jeder Benutzer eines Computers sollte seine Programme für jeden Zweck einsetzen, kopieren, in kleinerem oder größerem Rahmen weitergeben, zu verstehen suchen, ändern und verbessern können, ohne Lizenzgebühren bezahlen zu müssen.
- Jeder Benutzer eines Computers sollte die Möglichkeit haben, seine Programme in einer Sprache seiner Wahl zu benutzen.
- Jeder Benutzer eines Computers sollte sämtliche Möglichkeiten haben, seine Programme zu benutzen, auch im Falle einer Behinderung.
Unsere Überzeugungen sind in die Programme, die wir geschrieben und in unsere Distribution einbezogen haben, eingeflossen. So werden die Lizenzbedingungen der Programme, die wir vertreiben, an diesen Überzeugungen mit Hilfe der Ubuntu-Software-Lizenzrichtlinien gemessen.
Wenn du Ubuntu installierst, erfüllen fast alle Programme schon diese gewünschten Anforderungen und wir arbeiten daran, dass jegliches Programm, das du benötigst, unter Lizenzbedingungen erhältlich ist, die dir diese Freiheiten zugestehen. Derzeit gibt es spezielle Ausnahmen für einige Treiber, die es nur in Binärform gibt, ohne die Ubuntu auf vielen Rechnern nicht vollständig installiert werden kann. Diese haben wir in die restricted section unseres Systems eingestellt, wo sie sich einfach entfernen lassen, wenn man sie nicht benötigt.
Für Ubuntu bezieht sich das »frei« in »freier Software« in erster Linie auf »Freiheit« und nicht auf den Preis[Im Englischen bedeutet »free« sowohl frei als auch kostenlos.] – obwohl wir uns verpflichtet haben, für Ubuntu nichts zu berechnen. Das Wichtigste an Ubuntu ist nicht, dass es kostenlos ist, sondern dass es die Freiheitsrechte der Software an die Leute verleiht, die es installieren und nutzen. Diese Freiheiten sind es, die es der Gemeinschaft der Ubuntu-Benutzer ermöglichen, zu wachsen und ihre gemeinsame Erfahrung und ihr Wissen weiterzugeben, um Ubuntu zu verbessern und es für den Einsatz in neuen Ländern und Branchen anzupassen.
In »Was ist freie Software« der »Free Software Foundation« sind die wichtigsten Freiheiten freier Software beschrieben als:
- die Freiheit, Programme für jeden Zweck auszuführen,
- die Freiheit, die Funktionsweise eines Programms zu untersuchen und es an seine Bedürfnisse anzupassen,
- die Freiheit, Kopien weiterzugeben, damit man anderen helfen kann,
- die Freiheit, das Programm zu verbessern und seine Verbesserungen an die Öffentlichkeit zu bringen, damit jeder profitiert.
Freie Software ist seit mehr als zwei Jahrzehnten eine kohärente soziale Bewegung. Diese Bewegung hat Millionen an Codezeilen, Dokumentation und eine dynamische Gemeinschaft hervorgebracht, zu der sich Ubuntu stolz hinzuzählt.
Quelloffene Software ist ein Ausdruck, der 1998 geprägt wurde, um die Doppeldeutigkeit des englischen Wortes »free« zu beseitigen. Die »Open Source Initiative« beschreibt quelloffene Software in der »Open Source Definition«. Quelloffene Software erfreut sich fortdauernd wachsenden Erfolges und breiter Wahrnehmung.
Ubuntu bezeichnet sich gern als quelloffene Software. Während manche freie und quelloffene Software für konkurrierende Bewegungen mit unterschiedlichen Zielen halten, betrachten wir freie und quelloffene Software weder als voneinander verschieden noch als unverträglich. Ubuntu hat erfreulicherweise Mitglieder, die sich entweder zum Lager der »freien Software« oder dem der »quelloffenen Software« zählen und viele, die sich mit beiden identifizieren.